Die Himmelswüste
Es ist unmöglich, die Sandkörner der Wüste zu zählen. Einfach unmöglich. Es gibt einfach zu viele. Warscheinlich ist der Planet eine einzige Wüste. Voller Sandkörner. Sand. Im Getriebe unseres Volkes. Oder das, was davon übriggeblieben ist. Nach der Katastrophe. Eigentlich weiß niemand so richtig, was damals passiert ist. Es muß gräßlich gewesen sein. Alles Leben wurde ausgelöscht. Auf einen Schlag. Alles weg. Zurück blieb nur eine Wüste voller Sand. Wir waren gerade auf einer Expedition in die tiefsten Höhlen des Planeten. Deshalb bleiben wir verschont. Warscheinlich. Man verspürte dort unten nur einen Luftstoss, sonst nichts. Erst als wir wieder an die Oberfläche kamen, sahen wir, was uns erspart geblieben ist. Wir entschieden uns damals, tief in den Höhlen zu leben und uns von den kargen Nahrungsvorkommen dort unten zu ernähren. Wir lebten hier unten hier unten. Keiner von uns konnte genau sagen, wie lange. Jedenfalls war es eine lange Zeit, bis wir uns entschlossen, wieder die Oberfläche zu besuchen. Aber die Wüste war immer noch da. Es ragten aber riesige Metallsäulen in den Himmel. Wir wußten, das konnte nur Menschenwerk sein. Sie mußten auf den Plattformen dort oben leben, welche man an wenig windigen Tagen erkennen konnte. Fortan beschlossen wir, daß immer jeweils eine Person auf der Oberfläche bleiben müsse, in der Hoffnung, daß uns dort oben irgendjemand entdeckt und uns hoch holt. Aus dieser Wüste. So geschah es viele Jahre. Aber wir waren immer noch dort unten. Wir waren uns sicher, daß uns dort oben jemand erblickt haben müsse, denn der, der imstande war, solche Säulen in den Sand zu setzen, der sollte auch instande sein, zu registrieren, was auf der Oberfläche vorgeht. Also konnte es nur einen Grund geben. Sie wollten uns nicht oben haben. Dafür hassten wir sie und hassen wir sie immernoch abgrundtief. Abgrundtief, so wie der Abgrund unter mir. Jedenfalls gaben wir uns nicht damit zufrieden. An einer Säule gab es eine Leiter, mindestens 3 km lang. Eine ganz schöne Strecke, vor allen Dingen bei der brennenden Sonne. Dennoch versuchten die stärksten Leute von uns, das Ende der Leiter zu erreichen. Sie fielen alle herunter. Gedemütigt zogen wir uns wieder in die Höhlen zurück, doch die Ressourcen wurden knapp. Wir mußten die Plattform am Ende der Säulen erreichen, denn die Menschen dort oben konnten uns vielleicht helfen. Wir konnten es nicht. Deswegen startete ich einen weiteren Versuch, die Leiter zu erklimmen. Das reinste Selbstmordkommando! Deshalb bin ich hier, erklimme Sprosse um Sprosse, das Ziel ständig vor Augen. Oder eher gesagt den Sand in den Augen. Ich frage mich, was ich wohl machen würde, wenn ich oben bin. Kann ich mit den Menschen in vernünftiger Art und Weise verhandeln? Bei meinem Hass auf sie? Ich weiß es nicht. Das Ziel ist schon sehr nahe. Ich kann es nicht fassen, daß ich besser bin, als meine beiden Vorgänger. Obwohl sie besser trainiert waren als ich! Eigentlich kaum zu glauben. Trotzdem muß ich sagen, daß ich sehr erschöpft bin. Einen Abstieg schaffe ich nicht mehr. Ich bin also ganz auf die Bewohner der Plattform angewiesen. Für mich ist das eigentlich unvorstellbar, von den Personen, die man am meisten haßt, abhängig zu sein. Aber darum brauche ich mir jetzt keine Sorgen zu machen, denn die letzten Sprossen sind in Sicht. Mit letzter Kraft erklimme ich sie und ziehe mich auf die Plattform. Hier bin ich nun. Es ist sehr schwer, aufzustehen, so erschöpft, wie ich bin, aber ich mache es trotzdem. Ich kann kaum etwas sehen, wegen dem Sand in den Augen. Ich reibe mir die Augen und erblicke etwas, was ich nie erwartet hätte. All die Jahre des Hasses waren unbegründet! Sie konnten uns nicht hochholen. Denn die Plattform war verlassen. Menschenleer. Rost bröckelt von den Wänden. Sie ist total verkommen. Niemand ist da. Und wie haben sie gehaßt. Nur Warum? Es war falsch. Und ich schritt zum Rand der Plattform und ein Abgrund tat sich vor mir auf. Ich stand genau vor ihm und schaute zum Horizont. Sand. Nichts als Sand. Soweit das Auge reicht. Die Sonne begann unterzugehen. Der Tag begann zu dämmern. Die Nacht brach herein. Tränen in den Augen. Ich verlor das Gleichgewicht und stürze in den Abgrund. Ich glaube, ich verlor es mit Absicht. |